Die Jahreskreisfeste: Ein lebendiger Rhythmus im Wandel der Zeit
- Bettina Koch
- 25. Juli
- 8 Min. Lesezeit
Die Jahreskreisfeste sind eine faszinierende Reise durch den Zyklus der Natur und des menschlichen Lebens. Tief verwurzelt in alten heidnischen, keltischen und mitteleuropäischen Traditionen, feiern sie den ewigen Wandel von Licht und Dunkelheit, Werden und Vergehen. Diese Feste bieten nicht nur einen spirituellen Anker, sondern auch eine Möglichkeit, sich mit den Rhythmen der Natur, dem Jahreslauf und den eigenen inneren Wandlungsprozessen zu verbinden.

In diesem Beitrag begeben wir uns auf eine ausführliche Reise durch die acht Hauptfeste des Jahreskreises, beleuchten ihre Ursprünge, ihre symbolische Bedeutung und wie sie heute – traditionell oder modern interpretiert – gefeiert werden können. Zusätzlich findest du passende Rituale, Zitate aus alten Quellen, saisonale Rezepte und Heilpflanzen.
Der Jahreskreis: Ein kurzer Überblick
Der Jahreskreis besteht aus acht Festen: vier Sonnenfeste (Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen) und vier Mondfeste (keltisch inspiriert), die dazwischen liegen. Zusammen bilden sie einen achtspeichigen Kreis, der den Zyklus des Lebens, des Todes und der Wiedergeburt abbildet. Diese Feste sind:
Samhain (31. Oktober – 1. November)
Yule (Wintersonnenwende, ca. 21. Dezember)
Imbolc (1. – 2. Februar)
Ostara (Frühlingstagundnachtgleiche, ca. 20. März)
Beltane (30. April – 1. Mai)
Litha (Sommersonnenwende, ca. 21. Juni)
Lughnasadh (1. August)
Mabon (Herbsttagundnachtgleiche, ca. 21. September)
1. Samhain – Das Fest der Ahnen und des Übergangs
Samhain wird in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November gefeiert und markiert das keltische Neujahr. Es symbolisiert das Ende des Sommers und den Beginn der dunklen Jahreszeit. In dieser Zeit wird die Natur still. Pflanzen sterben ab, Tiere ziehen sich zurück oder gehen in den Winterschlaf. Der Mensch ist eingeladen, nach innen zu schauen. Es ist eine Schwelle, eine Zeit des Loslassens, der Trauer, aber auch der Weisheit.
Spirituelle Bedeutung: Samhain ist ein Übergangsritual – von Licht zu Dunkelheit, von Aktivität zu Ruhe. Der Schleier zwischen den Welten soll in dieser Nacht besonders dünn sein, weshalb es als die ideale Zeit gilt, um mit den Ahnen zu kommunizieren. Der Tod wird nicht als Ende, sondern als notwendiger Teil des Zyklus verstanden.
Traditionelle Bräuche: In keltischen Dörfern wurden große Feuer entfacht, um böse Geister fernzuhalten. Speisen wurden für die Verstorbenen auf den Tisch gestellt. Man glaubte, dass die Seelen der Toten in dieser Nacht zu Besuch kämen.
Der Schleier zwischen den Welten ist dünn – wir hören, was sonst verborgen bleibt. – Keltische Weisheit
Ritual: Richte einen Ahnenaltar ein mit Fotos, Kerzen, getrockneten Kräutern und kleinen Gaben. Schreibe einen Brief an einen Verstorbenen und verbrenne ihn achtsam. Meditiere über das vergangene Jahr und was du zurücklassen möchtest.
Rezept: Kürbissuppe mit Ingwer und Apfel – wärmend, erdend und saisonal. Dazu passt frisches Brot mit Rosmarin und schwarzen Oliven.
Heilpflanze: Beifuß – schützende Pflanze, unterstützt Übergänge und schamanische Reisen.

2. Yule – Die Wiedergeburt des Lichts
Yule (auch Jul genannt) oder die Wintersonnenwende findet um den 21. Dezember herum statt und markiert den kürzesten Tag und die längste Nacht des Jahres. Ab diesem Zeitpunkt werden die Tage wieder länger – das Licht kehrt zurück. Dieses Fest ist von Hoffnung, Neubeginn und innerer Einkehr geprägt.
Spirituelle Bedeutung: Yule steht für die Wiedergeburt der Sonne, das innere Licht, das in der Dunkelheit gefunden wird. Es ist eine Einladung, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, alte Sorgen loszulassen und Visionen für das kommende Jahr zu entwickeln.
Traditionelle Bräuche: Der Julbaum (Vorläufer des Weihnachtsbaums), das Verbrennen des Julscheits (eines besonderen Holzscheits) und das Backen spezieller Winterbrote sind Teil der Feierlichkeiten. Geschenke wurden als Segen des kommenden Jahres verstanden.
Die Sonne kehrt zurück, geboren aus der tiefsten Dunkelheit. – Nordische Überlieferung
Ritual: Entzünde eine Julkerze und lasse sie die ganze Nacht brennen. Schmücke dein Zuhause mit immergrünen Zweigen, die die Lebenskraft des Winters symbolisieren. Ziehe dich zurück und schreibe deine Wünsche für das neue Jahr auf.
Rezept: Gewürzter Apfelmost (alkoholfrei) mit Zimt, Nelken und Orangenscheiben, dazu Nussgebäck und Honigbrot.
Heilpflanze: Mistel – symbolisiert Unsterblichkeit, Schutz und spirituelle Klarheit.

3. Imbolc – Das erste Licht des Frühlings
Imbolc wird am 1. oder 2. Februar gefeiert. Es ist das Fest des ersten Lichtes, des Neubeginns und der Reinigung. Benannt nach der Göttin Brigid, symbolisiert Imbolc das Erwachen der Natur unter der Schneedecke.
Spirituelle Bedeutung: Imbolc lädt dazu ein, das Alte loszulassen, Platz zu schaffen für Neues. Es ist ein Fest der Inspiration, der weiblichen Kraft und der inneren Reinigung. Die Energie ist noch zart, aber voller Potenzial.
Traditionelle Bräuche: Häuser wurden gereinigt, Kerzen geweiht, Brigid-Kreuze gebastelt und in den Stall gehängt, um Fruchtbarkeit und Schutz zu bringen.
Mit dem ersten Licht kommt die Hoffnung zurück. – Irische Weisheit
Ritual: Ziehe dich in der Dämmerung mit einer weißen Kerze zurück. Meditiere über deine Ziele. Verwende Salzwasser und Beifuß, um Räume symbolisch zu reinigen.
Rezept: Haferbrot mit frischem Joghurt und Honig – schlicht, nährend und symbolisch für neues Leben. Dazu passt eine Suppe aus Winterwurzelgemüse.
Heilpflanze: Schneeglöckchen – ein zartes Zeichen der Hoffnung und des Neubeginns.

4. Ostara – Gleichgewicht und Erwachen
Ostara wird zur Frühlingstagundnachtgleiche gefeiert, meist um den 20. oder 21. März. Zu diesem Zeitpunkt sind Tag und Nacht gleich lang – ein kosmisches Gleichgewicht, das das Erwachen der Natur, neues Leben und erste Blüten symbolisiert. Ostara wurde nach der germanischen Frühlingsgöttin Eostre benannt, die mit Fruchtbarkeit, Sonnenaufgang und dem Frühling assoziiert wird.
Spirituelle Bedeutung: Ostara ist ein Fest des Neubeginns, der Hoffnung und des inneren Gleichgewichts. Es ist der Moment, in dem Licht und Dunkelheit sich die Waage halten – außen wie innen. Wir treten aus dem Inneren, Dunklen hervor und richten uns auf Wachstum, Bewegung und das, was wir säen wollen.
Traditionelle Bräuche: Das Bemalen von Eiern – Symbole des Lebens – hat seinen Ursprung in diesem Fest. Auch Hasen, als Tiere der Fruchtbarkeit, gehören zu Ostara. Es wurde draußen gefeiert, mit Tänzen, Gesängen und dem Sammeln erster Kräuter.
Wenn Licht und Schatten gleich sind, tanzt die Seele in Harmonie. – Altes Frühlingslied
Ritual: Sammle erste Frühlingsblumen und dekoriere deinen Altar mit Eiern, Blüten, grünem Stoff und Kerzen in Pastellfarben. Pflanze symbolisch Samen in die Erde – physisch oder metaphorisch. Schreibe auf, was du in diesem Jahr wachsen lassen möchtest.
Rezept: Bunter Frühlingssalat mit Wildkräutern (z. B. Löwenzahn, Gänseblümchen), gekochten Eiern, Radieschen und essbaren Blüten. Als Dessert: Honig-Zitronen-Muffins mit Lavendel.
Heilpflanze: Brennnessel – reinigend und vitalisierend, unterstützt den Neubeginn.

5. Beltane – Tanz in den Mai, Fest der Liebe
Beltane findet in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai statt und ist eines der freudvollsten und sinnlichsten Feste im Jahreskreis. Es feiert die Vereinigung von Himmel und Erde, Gott und Göttin, Licht und Leben. Es ist das Gegenstück zu Samhain, das Fest des Todes – Beltane steht für Geburt, Leidenschaft und Schöpfungskraft.
Spirituelle Bedeutung: Beltane ist die Hochzeit von Sonne und Erde. Die Kraft des Frühlings kulminiert, die Natur explodiert vor Leben. Es ist eine Zeit für Freude, Ausgelassenheit, aber auch für Rituale der Fruchtbarkeit, Sinnlichkeit und des bewussten Erlebens von Körper und Verbindung.
Traditionelle Bräuche: Das Entzünden von zwei Feuern, zwischen denen Menschen oder Tiere hindurchschritten, galt als Schutz- und Fruchtbarkeitsritual. Maibäume wurden errichtet und im Tanz umwunden. In vielen Regionen schliefen Paare unter freiem Himmel, um die Kraft der Natur zu empfangen.
Leben ist Tanz, und Liebe ist Feuer. – Beltane-Weisheit
Ritual: Errichte ein kleines Feuer oder zünde viele Kerzen an. Ziehe rote und weiße Kleidung an (Blut und Milch – Leben und Nahrung). Schreibe auf, wofür du brennst, was du liebst, und tanze mit diesen Gedanken unter dem freien Himmel.
Rezept: Erdbeer-Mandel-Törtchen mit Vanillecreme und frischer Minze. Dazu selbstgemachter Holunderblütensekt oder Rosenlimonade.
Heilpflanze: Weißdorn – Herzensöffner, steht für Liebe, Schutz und Blütezeit.

6. Litha – Die Kraft des Sommers
Litha, die Sommersonnenwende, wird normalerweise am 21. Juni gefeiert. In Schaltjahren kann sie auch am 20. Juni stattfinden. Es ist der längste Tag und die kürzeste Nacht des Jahres. Licht, Energie und Fülle erreichen ihren Höhepunkt. Doch in diesem Moment des Triumphes beginnt auch das langsame Zurückweichen des Lichts.
Spirituelle Bedeutung: Litha ist die Zeit der Fülle, aber auch des Bewusstseins, dass alles vergeht. Es ist ein Fest der Dankbarkeit, des Feuers, der Lebenslust – und der inneren Klarheit, dass Wachstum nicht ewig andauert. Es lädt ein, bewusst innezuhalten.
Traditionelle Bräuche: Sonnenwendfeuer wurden entzündet, über die man sprang, um Mut zu gewinnen und sich zu reinigen. Kräuter wurden gesammelt, denn sie sollten zu dieser Zeit besonders heilkräftig sein. Auch wurde Wasser geweiht.
Lass die Sonne in dir brennen wie ein nie verlöschendes Feuer. – Sonnengebet
Ritual: Sammle Johanniskraut, Schafgarbe oder Beifuß. Schreibe deine Herzenswünsche auf ein Stück Papier und übergib sie dem Feuer. Bade in einem See oder Fluss, um dich zu erfrischen und zu reinigen.
Rezept: Gegrilltes Gemüse mit Rosmarin, Thymian und Knoblauch, dazu Fladenbrot mit Wildkräuterbutter. Als Dessert: Beerenquark mit Honig.
Heilpflanze: Johanniskraut – Sonnenpflanze, bringt Licht ins Gemüt, schützt die Seele.

7. Lughnasadh – Die erste Ernte
Lughnasadh (auch Lammas genannt) wird am 1. August gefeiert. Es ist das Fest der ersten Ernte und der Dankbarkeit. Benannt ist es nach dem keltischen Lichtgott Lugh, einem Gott der Künste, des Handwerks und der Krieger.
Spirituelle Bedeutung: Lughnasadh ist die Zeit, innezuhalten und sich bewusst zu machen, was man „geerntet“ hat – an materiellen Gaben, an Erfahrungen, an innerem Wachstum. Es lädt ein zum Geben, Teilen und Danken.
Traditionelle Bräuche: Die erste Garbe wurde feierlich eingebracht, das erste Brot daraus gebacken. Es gab Wettkämpfe, Spiele und Markttage. Es war auch eine gute Zeit für Heiratsversprechen und Gemeinschaftsfeiern.
Du erntest, was du säst – also säe mit Liebe. – Alte Bauernregel
Ritual: Backe ein Brot aus frisch gemahlenem Getreide und teile es mit anderen. Lege auf deinem Altar Früchte und Getreide ab. Schreibe auf, wofür du dankbar bist – und was du loslassen musst, um Raum für neue Samen zu schaffen.
Rezept: Selbstgebackenes Dinkelbrot mit Sonnenblumenkernen, dazu ein Aufstrich aus Ziegenkäse, Honig und Thymian. Als Getränk: Kräuterlimonade mit Zitronenmelisse und Apfelminze.
Heilpflanze: Ringelblume – fördert Heilung, innere Wärme und Dankbarkeit.

8. Mabon – Das Gleichgewicht der Ernte
Zur Herbsttagundnachtgleiche, etwa am 21. September, wird Mabon gefeiert. Tag und Nacht sind erneut im Gleichgewicht – ein Spiegelbild zu Ostara im Frühling. Die dunkle Jahreshälfte beginnt, und die Natur zieht sich langsam zurück.
Spirituelle Bedeutung: Mabon ist ein Fest des Dankes, der inneren Einkehr und des Ausgleichs. Was habe ich empfangen, was gegeben? Was lasse ich zurück? Es ist die Zeit der Rückbesinnung, des Erntedanks und der Vorbereitung auf den Rückzug des Winters.
Traditionelle Bräuche: Das Sammeln von Früchten, das Kochen von Kompott, das Legen von Altären mit Gaben der Natur waren zentral. Mancherorts wurden die letzten Ernteteile geweiht oder symbolisch den Göttern geopfert.
Ernte ist nicht das Ende, sondern der Anfang der Einkehr. – Mabon-Spruch
Ritual: Gestalte einen Naturaltar mit allem, was du draußen findest: Kastanien, Eicheln, Beeren, Blätter. Meditiere über deine innere Ernte. Was möchtest du mitnehmen in die dunkle Jahreszeit? Was darf sterben?
Rezept: Apfel-Kürbis-Auflauf mit Zimt, Walnüssen und Rosinen. Dazu passt ein Chai-Tee mit Hafermilch oder ein heißer Apfelsaft mit Nelken.
Heilpflanze: Salbei – symbolisiert Weisheit, Reinigung und Loslassen.

Fazit: Der Jahreskreis als Weg der bewussten Verbindung
Die Jahreskreisfeste laden uns ein, im Einklang mit der Natur zu leben, ihren Wandel zu feiern und daraus Kraft zu schöpfen. Jeder dieser acht Schwellenmomente im Jahr birgt eigene Qualitäten, Themen und Energien, die uns helfen können, bewusster zu leben, loszulassen, zu feiern und neu zu beginnen.
Ob du dich alten Bräuchen näherst, moderne Rituale entwickelst oder einfach achtsamer durch den Jahreslauf gehst – der Jahreskreis bietet dir einen Schatz an Inspiration. Die Rituale, Heilpflanzen, Zitate und Speisen können dabei helfen, diese Verbundenheit lebendig zu gestalten – saisonal, spirituell und sinnlich.
Möge der Kreis dich durch dein Jahr begleiten – wachsam, feierlich und voller Herz.

