OM (ॐ): Das Ur-Mantra des Universums
- Bettina Koch
- vor 6 Tagen
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OM – oder AUM – ist weit mehr als nur ein Klang. Es ist ein Symbol, ein Mantra, ein spiritueller Kompass – in der Yoga-Praxis ebenso wie in den heiligen Schriften des Hinduismus, Buddhismus und Jainismus. Wer OM sagt, verbindet sich mit einer jahrtausendealten Tradition, mit kosmischer Ordnung und innerer Stille. In diesem Beitrag erfährst du alles über die Herkunft, die spirituelle Bedeutung, die Symbolik, die Aussprache, die Anwendung im Alltag und die Rolle von OM in verschiedenen Religionen.

Herkunft und Ursprung von OM
OM ist eine der ältesten bekannten spirituellen Silben der Menschheitsgeschichte. Die Wurzeln reichen zurück bis ins 2. Jahrtausend v. Chr., zu den vedischen Schriften des alten Indiens. Im Rigveda, einem der ältesten religiösen Texte, taucht OM bereits als klangliche Manifestation des Absoluten auf, als heiliger Laut, als Schöpfungsklang.
Besonders zentrale Bedeutung erhält OM in den Upanishaden – den philosophischen Schriften des Vedanta. In der Mandukya-Upanishad wird OM als die „Silbe des Universums“ beschrieben, als Klangsymbol der gesamten Existenz, die alles umfasst was war, ist und sein wird:
„OM ist das Universum. Alles, was existiert, ist OM.“ – Mandukya Upanishad
Im Sanskrit wird OM auch Pranava genannt – das, was durchdringt, belebt und schöpferisch wirkt.
Aussprache: AUM – nicht einfach „Om“
In vielen westlichen Yogaklassen wird OM wie ein kurzes „Om“ ausgesprochen. Tatsächlich ist die korrekte Aussprache "A-U-M" – langsam, bewusst und mit fließendem Übergang:
A – tiefer Ton aus dem Bauch
U – in der Mitte der Brust resonierend
M – summend im Kopfbereich
Das bewusste Aussprechen aktiviert verschiedene Energiezentren im Körper (Chakren) und bringt Harmonie zwischen Körper, Geist und Seele.
OM als kosmischer Klang
OM ist mehr als nur ein Wort – es ist Schwingung. Der Klang von OM soll die ursprüngliche Vibration des Universums sein. In vielen spirituellen Traditionen wird angenommen, dass das Universum nicht mit einem Knall, sondern mit einem Ton entstanden ist – mit OM.
Physikalisch gesehen ist Klang eine Schwingung. Und alles im Universum – Materie, Energie, Bewusstsein – schwingt. OM wird als jene Grundschwingung verstanden, die allem zugrunde liegt. Es ist der „Klang der Leere“, aus dem alles wird und in den alles wieder zurückkehrt.
Das OM-Symbol – Form und Bedeutung
Das Symbol ॐ ist nicht nur ein grafisches Zeichen. Es ist eine Landkarte des Bewusstseins:
A steht für den Wachzustand (Jagrat) – unsere bewusste, physische Realität.
U symbolisiert den Traumzustand (Svapna) – die Welt des Geistes.
M für den Tiefschlaf (Sushupti) – die Quelle, aus der alles entsteht und in die alles zurückkehrt.
Die Stille nach dem M repräsentiert den Zustand des reinen Bewusstseins (Turiya) – das Transzendente.
Diese vier Ebenen entsprechen auch einem spirituellen Pfad: Von äußerer Wahrnehmung zur inneren Erkenntnis – bis zur Verschmelzung mit dem Absoluten.
Die Struktur macht das OM-Zeichen zu einem der ausdrucksstärksten spirituellen Symbole weltweit.

OM in Hinduismus, Buddhismus und Jainismus
Hinduismus
OM ist im Hinduismus das heiligste Mantra. Es steht am Anfang vieler Gebete, Texte, Rituale und Meditationen. Fast jeder vedische Vers beginnt mit OM. Es wird als Essenz Brahmans betrachtet – des formlosen, ewigen, unbegrenzten Bewusstseins und symbolisiert die Trimurti:
Vishnu – der Erhalter (A)
Shiva – der Zerstörer (U)
Brahma – der Schöpfer (M)
OM ist das Klangäquivalent dieser göttlichen Dreieinigkeit.
Buddhismus
Im Tibetischen Buddhismus hat OM ebenfalls eine zentrale Rolle. Am bekanntesten ist das Mantra „Om Mani Padme Hum“, das dem Mitgefühl und der Erleuchtung gewidmet ist. Hier steht OM für die göttliche Energie und den Ursprung aller Dinge.
Jainismus
Auch im Jainismus wird OM verwendet, um die fünf höchsten Wesenheiten (Panch Parameshti [Arihantas, Siddhas, Acharyas, Upadhyayas und Sadhus]) zu symbolisieren. Es repräsentiert dabei keine Person, sondern spirituelle Zustände und die Hingabe.
OM in der Yoga- und Meditationspraxis
In der heutigen spirituellen Praxis – besonders im Yoga – hat OM eine herausragende Bedeutung. Es wird gechantet zu Beginn und Ende von Yogastunden, zur Zentrierung und zur Verbindung mit dem eigenen Innersten.
Warum OM chanten?
Es beruhigt das Nervensystem
Es fördert tiefe Atmung
Es erzeugt eine heilende Vibration im Körper
Es hilft, Gedanken zu reduzieren und präsent zu sein
Es hebt die Energie (Prana) an und klärt die Chakren
Chakren und OM
Jede Silbe resoniert mit bestimmten Chakren:
A – unterer Bauchraum (Wurzel- und Sakralchakra)
U – Brustraum (Herzchakra)
M – Kopfbereich (Drittes Auge und Kronenchakra)
Diese Klangverbindung erklärt, warum OM eine tiefgreifende Wirkung auf Körper, Geist und Seele haben kann.
OM als spiritueller Wegweiser
Wer sich regelmäßig mit dem Klang von OM beschäftigt – sei es durch Hören, Chanten oder stilles Visualisieren – kann:
einen tieferen Zugang zur eigenen Intuition entwickeln
Gedankenklarheit und Achtsamkeit stärken
sich mit einer größeren Ordnung verbunden fühlen
Wissenschaftliche Perspektiven
Auch die Wissenschaft hat begonnen, sich mit den Effekten von OM zu beschäftigen. Studien zeigen, dass das wiederholte Chanten von OM:
die Herzfrequenz variabel verbessert
parasympathische Aktivität fördert (Entspannungsmodus)
den präfrontalen Kortex stimuliert (Aufmerksamkeit, Selbstregulation)
Stressreduktion unterstützt
Ein Beispiel: Eine Studie aus dem „International Journal of Yoga“ (2011) belegt, dass regelmäßiges OM-Chanten nach nur wenigen Minuten messbare Veränderungen im Gehirn (mittels fMRI) zeigt.
Missverständnisse und kulturelle Aneignung
In der Popkultur ist OM mittlerweile ein modisches Accessoire geworden – als Tattoo, Schmuck oder Print auf Yogahosen. Das ist nicht per se problematisch, kann aber respektlos wirken, wenn es aus seinem spirituellen Kontext gerissen wird.
Apps für Meditation, Klangheilung und Achtsamkeit integrieren OM-Klänge, um eine beruhigende Atmosphäre zu schaffen. Auch in Musikrichtungen wie Ambient, New Age oder Kirtan ist OM präsent.
Wenn du OM als Symbol oder Mantra verwendest, ist es hilfreich, seine Wurzeln zu respektieren und seine tiefere Bedeutung zu verstehen. Spiritualität ist kein Dekoartikel – sondern eine Einladung zur Selbstbegegnung.
Wie du OM in dein Leben integrieren kannst
Hier ein paar Möglichkeiten, OM bewusst in deine Praxis einzubauen:
Morgens 3 x OM chanten – zur Ausrichtung des Geistes
OM singen in der Gruppe – verstärkt die Vibration
OM als Visualisierung – etwa bei der Meditation auf das dritte Auge
OM hören (z. B. als Musik oder binaurale Töne) – zur Entspannung
OM zeichnen oder kalligraphieren – als meditativer Akt
Fazit: OM ist mehr als ein Laut – es ist ein Weg
OM ist Anfang, Mitte und Ende. Es ist Klang, Stille und Bewusstsein. Wer OM wirklich versteht, erkennt, dass es nicht nur darum geht, einen Laut zu wiederholen – sondern darum, sich mit dem tiefsten Teil des eigenen Selbst zu verbinden.
Egal ob du OM im Yoga chantest, in der Meditation still visualisierst oder es einfach als Symbol betrachtest – es bietet dir einen Zugang zu mehr Klarheit, Frieden und Verbundenheit mit dem großen Ganzen.
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